Zwei Räume für sich allein
Maria von Gneisenau und Schloss Molsdorf
17/04 –11/12/2016
Ausstellungsreihe der Kunsthalle Erfurt auf Schloss Molsdorf
Maria von Gneisenau (1873 Mettmann – 1926 Berlin) hat Schloss Molsdorf von 1909 bis 1923 besessen und vor allem in den Sommermonaten bewohnt. Zwei einmalige private Wohnräume der Gräfin sind aus dieser Zeit erhalten geblieben: ein kostbar ausgestattetes Marmorbad und ein fantastisch dekorierter Ruheraum, der mit einem Aquarium vor dem hohen Fenster weniger an eine Grotte als an den Meeresgrund erinnert. Mit Entwurf und Ausführung hatte die Gräfin 1909 Paul Schultze-Naumburg und die Saalecker Werkstätten beauftragt. Die beiden exquisiten Raumkunstwerke wirken wie begehbare Zeitkapseln im Molsdorfer Schloss. Sie boten den Anlass, sich nicht nur mit einem modernen Kapitel Baugeschichte des Anwesens, sondern vor allem mit Leben und Wirken einer bis dahin recht unbekannten Dame zu beschäftigen. Diese ließ 1914 den Pavillon im Schlossgarten zur Automobilgarage umbauen und übertrug das an sich schon bemerkenswerte Projekt noch dazu einer Frau: Emilie Winkelmann gilt als erste freie deutsche Architektin überhaupt.
Mit der Ausstellungsreihe Zwei Räume für sich allein wurde der Versuch unternommen, neben der Biografie die Persönlichkeit Maria von Gneisenaus als Schriftstellerin und sich emanzipierende Frau zu fassen und durch zeitgenössische künstlerische Ansätze und Medien zu reflektieren. Eine Kabinettschau vermittelte Einblicke in ihr Leben und literarisches Schaffen. Die Gräfin war Harry Graf Kessler im Berliner Haus ihres Halbbruders Karl von der Heydt begegnet, mit Rainer Maria Rilke bekannt und mit Sophie Hoechstetter befreundet. Dank der Leihgaben ihrer Nachfahren und des Schweizerischen Literaturarchivs in Bern konnten erstmals entsprechende historisch-persönliche Dokumente und Publikationen gezeigt werden. Parallel dazu fanden im sogenannten Turmzimmer – das im Ostflügel des Schlosses unmittelbar an das Marmorbad der Gräfin anschließt – wechselnde Einzelausstellungen von Delphine Courtillot, Jorge Chamorro, Wiebke Meurer und Sarah Westphal statt. So wurden Zeitschichten und Atmosphären, die sich in Wohnräume einschreiben, das durchaus modebewusste und literarisch inspirierte Aus- und Anprobieren verschiedener weiblicher Rollen und Identitäten, eine bisweilen dekadente Vorliebe für alles Dekorative sowie das Aufbrechen von Geschlechterbildern thematisiert – Umstände, Eigenschaften und Phänomene, die für Maria von Gneisenau als ehemalige Besitzerin von Schloss Molsdorf charakteristisch waren. Bis heute haben diese nichts an Faszination und Aktualität verloren.
Publikation Dt/teilweise Eng bei revolver publishing
(c) Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten
Fotos: Thomas Müller